Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
In der vergangenen Woche fand in Linz die Arbeitstagung unserer Akademie der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen statt. Rund 700 Kolleginnen und Kollegen besuchten das interessante und abwechslungsreiche Programm. Doch auch der informelle Austausch kam nicht zu kurz – die Pausen boten ausreichend Möglichkeit für Diskussionen und Gespräche zwischen den Berufsangehörigen und den Berufsanwärter:innen. Zuvor war am Mittwoch noch der erste Kammertag 2024, der sich insgesamt über fünf Stunden erstreckte. Über beide Ereignisse möchte ich Sie an dieser Stelle kurz informieren:
Der Kammertag hatte nicht nur die üblichen Agenden wie Feststellung des Rechnungsabschlusses der KSW und die Entlastung des Präsidiums sowie die Wahl der Rechnungsprüfer zum Inhalt, sondern es wurden auch ad-hoc Anträge unterschiedlicher Fraktionen zur Abstimmung gebracht.
Neben einer Gebühren-Senkung der Kammerumlage für einzelne Gruppen von Berufsangehörigen war vor allem das Vorsorgewerk im Fokus der Anträge.
Zum Antrag bezüglich Senkung der Kammerumlage war meiner Meinung nach die Vorbereitung überschaubar, so dass es auch zu einem detaillierteren Gegenantrag kam. Im Rahmen der Diskussion ergab sich dann fast einheitlich die Meinung, dass im Falle einer Umlagensenkung diese Maßnahme für alle Berufsangehörigen gleich wirksam sein sollte. Eine diesbezügliche Absenkung der Kammerumlage von 4,2 Promille auf 4,0 Promille wurde angedacht. Eine Differenzierung in den einzelnen Umsatzklassen könnte jedoch zur Aufspaltung der größeren Kanzleien in kleinere Einheiten verleiten, was zu einer Umlagenvermeidung und damit zu einem Ausfall an Mitteln für die Kammer führen könnte.
Wichtig ist meiner Meinung nach daher bei jedem Antrag zur Senkung der Kammerumlage, korrelierend die steigenden Kosten im Auge zu behalten. Denn aufgrund der Inflation der letzten Jahre, die bis heute nachwirkt, dürfen wir keinesfalls die deutlich höheren Personalkosten und Mietaufwendungen aus den Augen verlieren und müssen diese in die Planung einfließen lassen, damit auch unsere zukünftigen Kammer-Budgets ausgeglichen bleiben.
Einheitlich über alle Fraktionen hinweg sind wir der Meinung, dass die Statuten des Vorsorgewerks, aber vor allem auch die gesetzlichen Grundlagen ehest überarbeitet werden müssen. An der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Beiträge darf jedoch in aller Meinung nicht gerüttelt werden, was eine komplette Novellierung des Systems in Richtung Freiwilligkeit der Beitragsleistungen ausschließt. Jedoch muss es flexiblere Regelungen für die Einzahlungen für jede einzelne Kollegin/jeden einzelnen Kollegen geben, um den Bedürfnissen der unterschiedlichen Lebensphasen Rechnung zu tragen. Insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen wünschen sich in der Phase der Familiengründung, der Wohnungsanschaffung oder der Kanzleiübernahme eine geringere Beitragslast. Uns hat auch der Vorschlag einer Kollegin erreicht, die sie sich im zweiten Halbjahr selbstständig machen will und daher eine Absenkung der Beiträge für August und November anstrebt. Es besteht aber bis dato keine weitere Antragsmöglichkeit für eine Herabsetzung der Beiträge über die Antragsfrist bis Ende Jänner hinaus. Diese Frist muss daher aus meiner Sicht ausgeweitet werden, eventuell durch ein weiteres Antragsfenster im Juli für das zweite Halbjahr.
Die Vorschläge sind vielfältig und durchaus kontrovers – wir sollten alle aber der Versuchung widerstehen, dieses wichtige Thema zu einem reinen Wahlkampf-Schlager verkommen zu lassen, sondern sollten konstruktiv für eine Erneuerung des Systems zusammenarbeiten!
Die Arbeitstagung bot neben vielen Vorträgen zu den üblichen Themen Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer sowie Themen rundherum wie Umgründungen auch Topics wie Mitarbeiter-Suche und Kanzlei-Organisation.
Der für mich spannendste Vortrag war jener von DI Dr Johannes Kofler von der Johannes Kepler Universität in Linz zu der weiteren Entwicklung von künstlicher Intelligenz wie ChatGPT und weiteren LLM Programmen. Er erklärte sehr eindrucksvoll die Wirkung und die Arbeitsweise dieser Programme anhand von neuronalen Netzwerken und demonstrierte anhand anschaulicher Beispiele, wie diese Technik mit Deep Learning in Windeseile z.B. ein Bild von „Sommer“ in „Winter“ und umgekehrt transferiert. Verblüffend auch ein Beispiel, in welchem wir US Celebrities, welche von der Künstlichen Intelligenz generiert worden sind, gar nicht mehr als falsch oder echt erkennen konnten.
Auch der Einblick in die Entwicklung der Rechenkapazität der größten Computer war genauso eindrucksvoll wie die Darstellung des Moor‘schen Gesetzes, demzufolge sich alle 18 Monate die Rechnerleistung der Computer verdoppelt. Damit können wir fast sicher sein, dass in den nächsten fünf Jahren sämtliche neuen großen Rechner die Leistungsfähigkeit der menschlichen Gehirnkapazität überschreiten werden. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Rechnerleistung des besten Computers aus den 1980er- Jahren nun schon um umgerechnet rund 2.000 EUR zu bekommen ist, können wir uns ausmalen, wie durch diese Egalisierung der Ressourcen unser aller Arbeit verändert werden wird!
Dieser Ansatz findet sich auch in der Ankündigung der Mobiltelefonhersteller wieder, ChatGPT oder ähnliche Software in den nächsten Versionen des Betriebssystems zu implementieren.
Sehr eindrucksvoll war auch die Präsentation eines Softwareherstellers auf seinem Stand im Pausenraum der Arbeitstagung. Aus einem Diktat mit wenigen Worten wurde nicht nur ein Aktenvermerk geschrieben, sondern auch ein interner Vermerk an einen Berufskollegen erstellt und zusätzlich noch zwei E-Mails verfasst: eine an den Klienten mit integriertem Aktenvermerk und die zweite an die Berufskollegin zum aktuellen Stand der Gespräche. Das Ganze wurde in weniger als einer Minute diktiert und generierte vier Schriftstücke, davon zwei E-Mails.
Eine sensationelle Entwicklung kommt hier auf uns zu und wird wohl einen weiteren Wandel im Arbeitsablauf in unseren Kanzleien bewirken. Vielleicht heißt das für die Zukunft, dass ich den Leitartikel nicht mehr selbst schreiben werde, sondern die KI das für mich erledigen wird … Für heute aber verspreche ich Ihnen, dass dieser Artikel noch ohne ChatGPT geschrieben wurde.
Mit diesem Ausblick und vielleicht der einen oder anderen Anregung für eine spannende Urlaubslektüre wünsche ich Ihnen einen (ent-)spannten Sommer und gute Erholung, wo immer sie ihre freien Tage genießen werden!
Ihr,
Philipp Rath