Vorsorgewerk der Kammer: Aussitzen oder auflösen?

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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden Sie sich vielleicht dieses Jahr schon über das Vorsorgewerk der Kammer geärgert haben. denn einerseits steigen die Zahlungen an die Pensionsvorsorge unserer Kammer im Jahr 2023 weiter, und anderseits sind die Erträge aus dem Vorsorgewerk aufgrund des schlechten Börsenjahrs 2022 leider soweit gesunken, dass auch Pensionskürzungen notwendig wurden.

daher stelle ich die politische polemische Frage: Weitermachen oder doch gravierend ändern?
das Vorsorgewerk unserer Kammer wurde vor rd. 30 Jahren ge- gründet und verwaltet nunmehr ein Volumen von 480 Millionen Euro (Stand zum 31.12.202022). das Vorsorgewerk wurde Ende der 1980-er Jahre als zweite Säule der Pensionsvorsoge neben der staatlichen Pension konzipiert. Seither hat sich aber einiges geändert, sowohl für den Einzelnen als auch für das gesamte System.

So steigen die Beiträge gefühlt über der Inflationsrate und sind absolut sehr hoch geworden. das Maximum für 2023 beträgt nun pro Quartal EUR 1.848, d.h. EUR7.392 pro Jahr. Und dies als Ergänzung zur Pensionsversicherung bei der SVA in Höhe von EUR 15.151,56 als Höchstbetrag. damit zahlt eine KollegIn auf der Basis der Höchstbetragsgrundlage 2023 bereits über EUR 22.500 in die Pensionsversicherung jährlich ein!

Junge und jüngere Kolleginnen und Kollegen, die gerade eine Familie gründen, ein Haus bauen oder eine Kanzlei übernehmen bzw. in eine Kanzleipartnerschaft einzahlen, können sich oft zeitgleich diese Beiträge nicht leisten. dann muss oft auf eine Urlaubsreise verzichtet werden oder sind Investitionen aufzuschieben. Auch Kolleginnen und Kollegen, die in einem Teilzeit-dienstverhältnis tätig sind, können die hohen Beträge oft nicht stemmen, wollen aber andererseits keine Herabsetzung beantragen, um nicht in der Zukunft Pensionskürzungen verkraften zu müssen. Und von älteren BerufskollegInnen höre ich, dass Sie die Pensionskürzungen nicht verstehen, da sie in der privaten Veranlagung wesentlich bessere Ergebnisse erzielt hätten.

Leider wurden 2022 in allen Fonds negative Ergebnisse erwirtschaftet, die zu Kürzungen der Pensionsauszahlungen führten. generell sind die Pensionsbeiträge jener KollegInnen und Kollegen, die bereits in Pension sind, aufgrund der geringen Anzahl an Jahren der Einzahlungen in das System mit den Pensionsbeiträgen jener Jahrgänge, die zu Pensionsantritt dann 30-40 Jahren angespart haben, nicht richtig zu vergleichen.

diese Eindrücke, die ich im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen so höre, veranlassen mich, über das Vorsorgewerk und die Ausgestaltung im Detail nachzudenken. Ich will die zweite Pensionssäule für unseren Berufsstand nicht abschaffen, aber Nachdenken soll erlaubt sein. So kann ich mir vorstellen, dass wir über die Mindest- und auch über die Höchstbeitragsgrundlage sprechen. Sind die Be- träge in Relation zum Einkommen einer jungen Steuerberaterin in Stein gemeißelt, oder können wir uns auch geringere Beträge vor- stellen? Kann der Freibetrag etwas höher sein, ohne die steuerliche Absatzbarkeit der Pensionsbeiträge im Rahmen der Betriebsausgaben zu gefährden?

Kann es ein anderes System der vorübergehenden Befreiung von den Beiträgen geben? Immer nur auf Antrag oder doch auch automatisiert, digital? Können MitarbeiterInnen z.B. in einer Teilzeitbeschäftigung auch „Teilzeit“-Beträge einzahlen, z.B. im prozentuellen Anteilsverhältnis zur Vollbeschäftigung? Kann es Vereinfachungen für karenzierte Mitarbeiter geben, die sich die vollen Beiträge nicht leisten können?

Und wenn Nachdenken erlaubt ist, sollte auch „groß“ ohne Limit überlegt werden. Was kann alles geändert werden, ohne die steuerliche Absetzbarkeit zu gefährden? Ab wann wird diese uns nicht mehr zuerkannt? Können wir diese grenze bei der nächsten Steuerreform mitverhandeln und anpassen, im eigenen Interesse oder auch mit einem gemeinsamen Antrag aller Kammern der freien Be- rufe. denn unsere Probleme mit dem Vorsorgewerk gibt es in allen freien Berufen, nicht immer gleichartig, aber dem Grunde nach sehr ähnlich. Immer wieder höre ich, dass man lieber in Vorsorgewohnungen als in das Vorsorgewerk investieren will. Nachdenken verstehe ich auch als „neu denken“, denn die Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt haben sich in den letzten Monaten massiv geändert, da die Zinsen wieder steigen. daher sollte m.M. der Aktienanteil durch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen angehoben werden, damit nicht weiterhin in niedrig verzinste Anleihen investiert werden muss. Eventuell kann auch der Immobilienanteil, der aktuell bei ca. 17% liegt und in den letzten Jahren hervorragende Ergebnisse erzielt hat, weiter ausgebaut werden.

Aufgrund der genannten Änderung der Rahmenbedingungen sehe ich es als unerlässlich an, die aktuelle Situation unserer Pensions- vorsorge aus der heutigen Perspektive zu analysieren und entsprechend den Rückmeldungen die notwendigen Anpassungen vor- zuschlagen. Beim Nachdenken müssen wir nicht gleich alles über Bord werfen. denn gewisse dinge haben sich nicht geändert: Man kann nicht früh genug mit der Pensionsvorsorge beginnen und der kontinuierliche Aufbau einer eigenen privaten Vorsorge – „besser kleine als keine Beträge“ – ist eine wichtige Säule für einen finanziell abgesicherten Ruhestand.

In diesem Sinne freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen.
(philipp.rath@aon.at)

Herzliche Grüße,
Philipp Rath

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