„Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein.“
Prof.in Dr. Petra Hübner-Schwarzinger MSc, StB/SV/Mediatorin im Interview mit VWT Landespräsidentin Wien Mag. Christina Hartig über den „Sensationscoup“ UmgrStG, die positiven Entwicklungen eines legistischen Dauerbrenners und warum Steuerberater:in ein Beruf für alle Lebenslagen ist.
WT: Petra, Du bist Kollegen- und Umgründungs-Beraterin. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Einerseits habe ich mich auf das UmgrStG spezialisiert und berate in diesem Rechtsgebiet. Das sind somit Fragestellungen zu Unternehmensstrukturierungen, Rechtsformplanungen und -gestaltungen, Übergaben von Unternehmen an Fremde oder in der Familie, Ausgliederungen innerhalb kommunaler Strukturen, Ausgliederungen als Vorbereitung für Verkäufe und dergleichen.
Andererseits ist meine „Klientel“ die Kollegenschaft, also andere Steuerberater:innen beziehungsweise andere Rechtsberater:innen (zB Rechtsanwälte oder Notare). Ich bin also quasi eine Subunternehmerin der Steuerberaterinnen und Steuerberater, die für ihre Mandanten mit Fragestellungen zu Umstrukturierungen zu mir kommen.
WT: Wie kam es dazu, dass Du Dich gerade im Umgründungssteuerrecht spezialisiert hast?
Bereits mein Vater hat zu Beginn des UmgrStG, also in den Jahren 1992/93, seine Kanzlei auf die Kollegenberatung aufgebaut und sich ganz auf das UmgrStG spezialisiert. Ich habe diese Art des Leistungsprofils von ihm übernommen, durfte mit ihm einige Jahre parallel arbeiten und von ihm lernen und bin nun seit mehr als 20 Jahren auf diesem Gebiet tätig.
WT: Wie siehst Du die Entwicklung des UmgrStG in den letzten Jahren?
Generell war das UmgrStG ja ein „Sensationscoup“: eine wirtschaftskundige und wirtschaftsfreundliche Gesetzgebung, die einen Rechtsformwechsel und eine Steuerneutralität für bestimmte Vermögensübertragungen ermöglicht hat und damit gegen eine Erstarrung des Systems gewirkt hat. Es ist fraglich, ob in einer heutigen Gesetzgebung so ein Unterfangen überhaupt noch durchgegangen wäre.
Sehr positiv sind aus meiner Sicht die Entwicklungen des UmgrStG in den letzten Jahren, insbesondere hat das AbgÄG
2023 einige Vereinfachungen gebracht. Ich denke da an die Neuregelung des Gegenleistungsrechts in § 19 Abs 2 Z 6 UmgrStG und die Auswirkungen des § 32 EStG im Hinblick auf Entnahmen und Einlagen in Personengesellschaften. Und selbstverständlich nicht zu vergessen ist die Änderung des § 6 Z 4 EStG, dh die steuerneutrale Entnahme von Grundstücken gesamt, was gerade für Umgründungen, zum Beispiel Einbringungen, vielfach zur Anwendung kommt, bei denen Liegenschaftsvermögen nicht in die GmbH übertragen werden soll und damit unnötige Baurechtskonstellationen vermieden werden können. Eine weitere sehr positive Entwicklung ist aus meiner Sicht die Etablierung des Advanced-Ruling-Systems für Umgründungsfragen. Ich schätze hier die mitunter doch recht kurze Bearbeitungsdauer und auch den fachlichen Austausch mit dem BMF.
WT: Gibt es auch etwas, was Dir an den aktuellen Entwicklungen weniger gefällt?
Na ja, ich bin nicht unbedingt ein technisch affiner Mensch und wir haben seit letztem Jahr die Vorschrift, dass die Anzeige
gem § 43 auf elektronischem Wege über ein Formular einzubringen ist. Da muss man sich ein bisschen hineindenken. Gespannt bin ich sehr, wie das Formular hinsichtlich der Meldung gem § 13 UmgrStG aussehen wird, das ja ab 30.6.2025 kommen soll. Da die Meldung gem § 13 UmgrStG ja eine wesentlich größere Bedeutung und Konsequenz nach sich zieht, wäre hier doch wichtig, dass diese Webeingabe benutzerfreundlich ist und vor allem hinsichtlich der erforderlichen Angaben nicht überbordend wird.
WT: Als Kollegen-Beraterin siehst Du ja viele Aspekte des Berufsstandes. Welche Herausforderungen, welche Chancen siehst Du für die Zukunft?
Es war aus meiner Sicht zu verzeichnen, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Corona-Pandemie fast Unmenschliches geleistet haben und in vielfacher Hinsicht auch deutlicher wahrgenommen wurden. Das brachte ihnen eine gesteigerte Wertschätzung seitens der Wirtschaft und ein Mehr an Wahrnehmung seitens der öffentlichen Stellen ein, da sie ja doch die ersten Ansprechpartner in Sachen Förderungen, Beantragungen von Unterstützungshilfen und dergleichen waren. Für den Kolleg:innenstand war das aber auch eine harte Zeit, ermüdend und erschöpfend. Und so war nach Corona eine deutliche Überlastung zu verzeichnen. Das hat dazu geführt, dass mehrfach Kolleginnen und Kollegen einfach nicht mehr wollten und tatsächlich, vielleicht früher als ursprünglich geplant, aufgehört haben. Ganz generell glaube ich, dass sich das Arbeitspensum jetzt wieder halbwegs eingependelt hat; die jährliche Belastung mit Fristen wird natürlich im Hinblick auf die beinahe chronische Mitarbeiter:innensuche stets eine Herausforderung bleiben, aber der Berufsstand ist aus meiner Sicht immer noch ein sehr attraktives Arbeitsfeld. Ich würde mir wünschen, dass die Wertschätzung und das Verständnis für die von uns erbrachte Leistung weiter besteht und man die Steuerberaterin und den Steuerberater als aufrechten, unersetzlichen und loyalen Partner für die Wirtschaft anerkennt.
WT: Du hast gesagt, der Berufsstand wäre ein attraktives Arbeitsfeld. Was macht aus Deiner Sicht diese Attraktivität aus?
Also ich denke, dass der Berufsstand es zulässt, für die persönliche Lebensvorstellung und jede Lebensphase das richtige Maß an Arbeit zu finden. Gerade für Frauen ermöglicht der Beruf des Steuerberaters eine flexible Arbeitsgestaltung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht, was sich gut mit Kinderbetreuung und Altenpflege vereinbaren lässt. Aber generell kann sich im Berufsstand eigentlich jeder Typus verwirklichen: derjenige, der gerne unternehmerisch agieren möchte, oder ein anderer, der gerne seine Fachkompetenz in Ausarbeitungen von Schriftsätzen auslebt, jene die gerne Routinetätigkeit durchführen und andere wiederum, die laufend Abwechslung und Spezialaufgaben brauchen. Es gibt Platz für jene, die gerne mit anderen Menschen kommunizieren, aber auch für solche, die das vielleicht weniger gerne machen und eher aus der zweiten Reihe agieren. Mit einem Herz für das interessante Rechtsgebiet und für Zahlen ist man hier also sehr gut aufgehoben.
WT: Wie können wir aus Deiner Sicht die von Dir angesprochene Flexibilität und Vielfalt unseres Berufes am besten an die Jugend kommunizieren? Was braucht es hier für Verbesserungen seitens unserer Kommunikation und unserer Marketingstrategien?
Vielleicht ist es ganz gut, wenn man durch Interviews, Vorträge oder Gesprächsrunden unterschiedliche Menschentypen und unterschiedliche Arten der Ausübung des Berufes des Wirtschaftstreuhänders vorstellt. Ich denke, dass es jetzt schon einige Angebote für junge Menschen im Beruf gibt, sich auch Ideen außerhalb ihres gegenwärtigen Arbeitsumfeldes zu holen. Und wie es so schön heißt: „durchs Reden kommen die Leut‘ zsamm…“. In offenen Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Netzwerkkreisen können die unterschiedlichen Möglichkeiten des Arbeitens aus meiner Sicht authentisch und persönlich präsentiert werden.
WT: Was würdest Du Menschen mitgeben, die sich für diesen Beruf entscheiden?
Ich würde Ihnen gerne vorab zu dieser Entscheidung gratulieren, weil ich persönlich der Überzeugung bin, unser Beruf ist ein sehr interessanter und abwechslungsreicher, ein Beruf, der einen gut leben lässt, der einem Einblick in jede Form des Wirtschaftslebens gibt. Aus meiner Sicht kann man mit organisatorischem Geschick auch die berühmte „Work-Balance“ in den Griff kriegen. Man sollte sich für diesen Beruf allerdings nur dann entscheiden, wenn man nicht scheu ist, stets weiter zu lernen und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Das ist nämlich eine Voraussetzung für den Beruf. Das bedeutet aus meiner Sicht nicht, dass man auf allen Gebieten Experte sein muss. Sich und seine Stärken und Schwächen zu kennen und den Mut – auch gegenüber dem Mandanten – zu haben, sich für Fachfragen an Spezialisten zu wenden, ist aus meiner Sicht eine Notwendigkeit, die der große „Bauchladen“ des Anforderungsprofils des Steuerberaters mit sich bringt.
WT: Hast Du einen Vorsatz für das neue Jahr?
Vorsatz klingt vielleicht zu pathetisch. Da gibt es aber diesen Spruch, der schon ganz gut passt: „Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein.“